Der Wert der Dinge

Menschen könnten in Frieden leben. Auch Menschen mit verschiedenen Hautfarben, Religionen und politischen Meinungen.

August 1989. Israel. Auf Bustour quer durchs Land.
Ich bin in der 17. Woche schwanger mit meinem ersten Kind. Der Badeanzug, den ich am Toten Meer getragen habe, passt schon nicht mehr - wegen des kleinen Bäuchleins.
Der Aufenthalt am Toten Meer ist als Kur gedacht, mit Zuschüssen von der Krankenkasse. Beantragt und genehmigt im Februar, als ich noch nicht (wissentlich) schwanger war. 
Unser Reiseleiter ist Israeli, der Busfahrer Palästinenser. Beide verstehen sich bestens, arbeiten schon lange zusammen. Wir haben unserem Reiseleiter gesagt, dass ich schwanger bin und vielleicht nicht überall mit hinauf oder hinein kommen könnte. 
Und anstatt nun über diese blöde hinderliche Touristin zu meckern, werden ich statt dessen eine Woche lang eher wie die beste Zuchtkuh im Stall präsentiert. Busfahrer und Reiseleiter sind unglaublich stolz und erzählen jedem - wirklich jedem, dem wir auf der Tour begegnen, dass ich ein Kind erwarte und auch mein Mann bekommt des Öfteren ein "Mazeltov" oder "Maschallah / Inschallah" zu hören. 
Auf unserer Tour kommen wir nach Yardenit, gelegen am Fluss Jordan und für viele Christen die Stelle, an der Jesus getauft wurde. Natürlich sieht es heute nicht mehr so aus wie damals vor mehr als 22 Jahren und auch der Andenkenladen existiert vielleicht gar nicht mehr. An diesem Tag im August gehen also unserer Reiseleiter und unser Fahrer, der Israeli und der Palästinenser zusammen in diesen Laden und kaufen eine kleine Plastikflasche. Dann gehen sie hinunter an den Fluss und füllen die Flasche mit dem besonderen Wasser. Ich erinnere mich noch wie stolz sie mir das Fläschchen überreichten und mir auftrugen, mein Kind damit taufen zu lassen, wenn es im Herbst zur Welt kommen würde.
Da weder mein Mann noch ich in der Kirche sind, haben wir es nie geschafft, den Jungen taufen zu lassen. Aber ich hüte diese Flasche mit dem Originalwasser seit dieser Zeit im Kühlschrank. Vielleicht wird sich Daniel eines Tages taufen lassen, wenn er heiratet.
Und immer wenn es mal wieder besonders schlimme Nachrichten aus Israel gibt, über Bombenanschläge, extremistische Siedler, Entführungen von Soldaten und Mauerbau quer durchs "gelobte Land", dann denke ich an die beiden.


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